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HnM Side Story: Sand im Schuh

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AimaiLeafy's avatar
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                                                                                                Sand im Schuh

Heavy SPOILER



Im hohen Bogen wirbelte die Waffe durch die heiße, beinahe glühende Abendluft, ehe sie eine Drehung vollzog und ins Ziel traf. Rücklings wurde das monströse Etwas getroffen und die Lichtmagie verstärkte sich bei diesem Kontakt. Der Stab strahlte auf, tauchte einen Moment die Umgebung in helles Licht und durchbohrte dann den Dämonen, dem die Schmerzen wahrscheinlich verschont blieben, denn er war bereits nichts anderes als ein Haufen Fünkchen, die sich vom lavendelfarbenen Nachthimmel abhoben und sich eins nach dem anderen auflösten.
Triumphierend wurde der Stab von dessen Besitzerin entgegen genommen, welche wiederrum von einem weiteren Dämonen aufgefangen wurde, damit sie nicht schmerzhaft Bekanntschaft mit dem Asphalt machte, der mehrere hundert Meter unter ihnen war. Der rothaarige Dämon grinste erfreut, als er die junge Wächterin herunterließ, jedoch konnte er es nicht lassen, sie, ehe er sie herunterließ, noch einmal an sich zu drücken. Sie reagierte kaum darauf, schob ihn nur mit ihrer Handfläche weg; zu gewohnt war sie es bereits.
„Gary", rief sie dem Letzen im Bunde zu, der gerade neben den beiden landete und recht missvergnügt wirkte, im Gegensatz zu den beiden anderen.
„Guck, ich hab dir doch gesagt, dass das schon hinhauen wird." Der Stachelkopf kam nicht zum Antworten, denn sein Bruder unterbrach ihn:
„Genau, Green-chan: alles nach Plan!" Er lachte daraufhin, erfreut über deren Sieg, worin Green einstimmte, ehe die beiden eine High Five Pose vollführten, während Blue den Kopf schüttelte und sich dazu entschloss, die Zerstörungen um sie herum nicht zu erwähnen, die während des Kampfes entstanden waren. Zum Glück für sie, oder dem der Umwelt, befanden sie sich in einem abgelegenen Teil eines Hafens, der menschenleer war und wenn sie sich schnell aus dem Staub machen würden, müssten sie sich vielleicht keiner Rechenschaft stellen.
Scheinbar hatte auch Green im Interesse schnell nach Hause zu gelangen, denn sie sagte:
„Wir sollten los, ich hab' nämlich einen ziemlichen Hunger." Wenn auch aus den falschen Gründen, wie Blue mit verdrehten Augen feststellen musste. Silver hatte dagegen natürlich nichts einzuwenden:
„Ohja, eine wirklich gute Idee! Was gibt es denn heute, Green-chan?" Obwohl Silver erfreut die Arme um die Hikari schlang, sah diese zu Blue, als sie lächelnd sagte:
„Ich hab noch genug Zutaten im Kühlschrank für chinesisches Essen, was meinst du, Gary?" Der Angesprochene kam nicht drum herum, dass ihm ein kurzes Lächeln über die Lippen zuckte, nicht alleine wegen dem Essen, sondern auch weil ihm bewusst war, dass sie es für ihn machen würde. Dies schien auch Silver zu bemerken, denn von der Seite, unbemerkt von Green, sah er seinen Bruder mit einem leichten Grinsen an, schloss sich aber dennoch Greens Idee an: freudestrahlend natürlich.
Immerhin waren sie Profis.


„Wir sind wirklich Profis." Silver ließ sich auf das Sofa fallen, vom einem Seufzen begleitet. Sein Gesichtsausdruck spiegelte keine Freude oder Triumph über seine Aussage wider, doch er wandte seinen Blick zu schnell weg ab von seinem Bruder, als das er hätte feststellen können, welche Gefühle es stattdessen waren.
„Wir haben doch abgemacht, dass wir in unserer Wohnung nicht darüber reden", antwortete Blue im Flüsterton, als hätte er Angst, dass Green es durch die Wände hören könnte.
„Man weiß nie", fügte er hinzu,
„Ob sie plötzlich im Hausflur steht; immerhin hat sie unseren Schlüssel." Unbemerkt von seinem Bruder verdrehte Silver die Augen über dessen Vorsichtigkeit und konnte sich den Kommentar nicht verkneifen, dass Green um halb vier Uhr morgens sicherlich nichts Besseres zu tun hatte, als sie aufzusuchen. Gerade als Blue antworten wollte, dass ja nicht nur Green eine Gefahr darstellte, sondern die Wächter selbst, unterbrach der Rotschopf ihn in diesem Unterfangen:
„Wie lange glaubst du dauert dieser Auftrag noch?" Eine Frage, die Blue sich auch öfters gestellt hatte: eine Frage ohne Antwort. Wie lange würden sie dieses Doppelleben noch führen? Wie lange mussten sie Green noch belügen und betrügen?
Wieder einmal konnte Blue seinem Bruder darauf keine Antwort geben und wieder einmal ging er weder auf Silvers Gefühle ein noch auf seine eigenen was den Auftrag anging. Neutral, objektiv, ohne Gefühle, so mussten sie zu ihm stehen. Doch natürlich waren sie das nicht. Etwas, was er immer und immer wieder feststellen musste, genauso wie so viele andere Fragen, die eigentlich nicht von Relevanz sein sollten, die ihn nicht kümmern sollten.
Blue ließ den Kugelschreiber fallen, den er gerade noch zwischen den Fingern hin und her gewippt hatte und lehnte sich auf den Stuhl zurück, so weit, dass seine Augen Richtung Decke gerichtet waren, wo die Sterne ihm aus einem Dachfenster entgegen schimmerten.
Wie an jedem anderen zweiten Donnerstag des Monats befand er sich in einer Bibliothek, die nur wenige Straßen von seiner Schule entfernt war, mitten in der Nacht; allein. Nur selten begleitete Silver ihn auf dieser Routine. Es war ihm zu langweilig, wie er sagte: mitten in der Nacht konnte er sich Amüsanteres vorstellen, als sich in der eigentlich geschlossenen Bibliothek aufzuhalten und pflichtbewusst Berichte zu schreiben.
Berichte mit Ri-Il als Empfänger, mit Green als Inhalt.
Zu Beginn des Auftrages hatte Blue diese Berichte wöchentlich mündlich abgeliefert, erst später wurde aus dieser mündlichen Überlieferung eine schriftliche – genauso wie ihm erst später allmählich schlecht wurde beim Schreiben.
Auch diesmal starrte er auf das halb gefüllte Papier vor ihm, ärgerte sich darüber, dass es nur halb voll war und auf der anderen Seite genügte dies, um ihm schlecht werden zu lassen. Er schloss die Augen, die Sterne über ihm wurden schwarz, ehe er seinen Kopf senkte und wieder seinen Bericht fixierte, tief seufzend, da er wieder einmal feststellen musste, was für Profis sie doch waren. Ja, sie konnten stolz auf sich sein. In diesen zweieinhalb Seiten stand alles bis ins kleinste Detail geschrieben, was ihnen seit dem letzten Bericht passiert war, ja sogar was sie mit Green zusammen gegessen hatten! Wichtige Zitate Greens, oder was sie von ihrer Familie erzählt hatte. Wie stark ihre Attacken waren, wie es den Körper Blues und Silvers beeinflusste in ihrer Nähe zu sein, normal, im Alltag oder im Kampf: schlicht weg alles, was es überhaupt aufzuschreiben gab.
Er war wieder fertig für heute. Der Bericht war geschrieben… bis auf eins. Das letzte. Es gab eine Sache, die ihm jedes Mal aufs neue Kopfzerbrechen bereitete, mehr als das über Green: er musste auch über sich und seinen Bruder schreiben: wie es ihnen dabei ging, ob der Auftrag irgendetwas bei ihnen veränderte. Jedes Mal aufs Neue fragte sich Blue, warum er gezwungen war, darüber zu schreiben, denn Ri-Il musste doch klar sein, dass selbst wenn sich etwas in ihnen verändert hätte, etwas in die verkehrte Richtung, dann würde er es Ri-Il wohl kaum mitteilen. Von Anfang an hatte er darüber den Kopf geschüttelt, es aber dennoch ausgefüllt, bis zu dem Zeitpunkt, wo das, was er aufschrieb, nicht mehr mit seinen eigenen Gefühlen übereinstimmte. Erst da fragte er sich, ob da mehr dahinter war: war irgendeine Magie mit dem Papier verknüpft, die ihn verraten würde, sobald er nicht wahrheitsgemäß schrieb?
Diese Frage stellte er sich wieder einmal, als er darüber nachdachte, was er schreiben sollte. Blue wusste, was er schreiben sollte; das gleiche wie immer, doch er zerbrach sich wieder einmal den Kopf darüber, was Ri-Il sich dabei dachte. Wenn irgendeine Magie im Spiel war, hätte es schon längst Konsequenzen gegeben, denn er fürchtete, dass dieser Teil des Berichts schon viel länger als er sich überhaupt selbst bewusst war nicht mehr der Wahrheit entsprach.
Blues Seufzen ging in ein Grummeln über, sich bewusst, dass er mal wieder nicht die Antwort auf dieses Rätsel gefunden hatte. Dennoch zögerte er ein wenig, ehe er den Kugelschreiber ansetzte und schrieb, dass deren Zustand „unverändert" sei. Er erwähnte kein Wort davon, dass er sich an diesem Abend gefreut hatte, dass Green ihm sein Lieblingsessen gekocht hatte, kein Wort davon, dass er die verräterische Röte verfluchte, die sich in seinem Gesicht bemerkbar machte, wenn sie ihn auch nur so wenig wie anlächelte.
Nein, darüber schrieb er nichts.
Blue faltete stattdessen den Bericht zusammen, nachdem er ihn unterschrieben hatte, versiegelte ihn, damit Rui ihn morgen nicht lesen könnte, wenn sie ihn abholen würde, denn er wusste, dass sie zu gern wüsste, was darin geschrieben stand und Blue wollte sich gar nicht vorstellen, was für einen Aufstand sie machen würde, sobald sie las, dass ihr geliebter Silver-sama nach wie vor große Freude daran hatte, die Hikari zu umarmen – dass Blue diesen Satz dazu gebraucht hatte, um zu untermauern, dass Green, anders als White, keine für Dämonen schädliche Aura hatte, würde sie dann sicherlich übersehen.
Ein weiteres Mal lehnte der Halbdämon sich zurück auf dem Stuhl, sah hoch zu den Sternen, wo der Himmel langsam heller wurde, da es kurz nach vier Uhr morgens war. Wieder einmal zerbrach er sich den Kopf darüber, warum Ri-Il darauf bestand es auf diese Art und Weise zu tun, was dahinter steckte… Blue konnte sich schlichtweg nicht vorstellen, dass deren Sensei ihnen so sehr vertraute, dass er all deren Worte für bare Münze nahm; das konnte nicht wahr sein. Zwar hatte er so einige Male bewiesen, dass er ihnen zu einem gewissen Grad vertraute, aber Blue zweifelte stark daran, dass dieses Vertrauen so weit ging.
Mit einem leichten Grinsen dachte der Halbdämon an das Gespräch am abendlichen Essenstisch zurück, ein Gespräch über Silvers und Blues ersten richtigen Auftrag, wo Ri-Il auf seine ganz eigene Art und Weise bewiesen hatte, dass er den beiden Brüder vertraute – jedenfalls zu einem gewissen Grad, gerade so viel, dass man es „Vertrauen" nennen könnte, aber nicht so viel, als dass es für ihn zum Nachteil werden könnte.
Natürlich hatten sie Green nur die „gekürzte" Version erzählt; Ri-Il nicht erwähnt, zwar nicht Blut- und gewaltfrei, aber ohne Tötungen und so verpackt, dass es ein nettes Gespräch am Essenstisch war, über das man lachen konnte. Green hatte gelacht, genauso, wie Blue darüber immer wieder den Kopf schüttelte, während die beiden Brüder sich immer wieder gegenseitig die Schuld in die jeweiligen Schuhe schoben, weil niemand von ihnen einsehen wollte, wer die Schuld daran hatte, dass dieser Auftrag recht… chaotisch verlief.
Erfolgreich, ja.
Aber Blue wusste nicht, wie viele Nerven er auf diesem Auftrag verloren hatte. So einige jedenfalls. Diese lagen dann plötzlich genauso blank, als Silver am Essenstisch plötzlich ganz frei davon anfing zu erzählen, obwohl die beiden abgemacht hatten, weder ihren Status als Schüler zu erwähnen, noch irgendwelche Aufträge.
„Ich weiß gar nicht, was du hast, Aniki", hatte er gesagt, nachdem Blue ihn dafür angekreidet hatte, dass er bei deren letzten Kampf einen entscheidenden Fehler gemacht hatte:
„Das damals in Ägypten hat dir doch gezeigt, dass es viel schlimmer schief gehen kann." Natürlich hatte das Greens Neugierde geweckt; sie war immer neugierig, wenn es um irgendetwas ging, was in der Vergangenheit von Silver und Blue lag, obwohl der Letztere sich sicher war, dass sie nicht so neugierig wäre, würde sie wissen, wie viele sie bereits umgebracht hatten… doch in diesem Moment strahlte ihr Gesicht vor kindlicher Euphorie, da sie die beiden einmal darin erwischt hatte, wie sie etwas von „früher" erwähnten. Diese Freude bekam keinen Dämpfer als sie sah, dass Blue seinem Bruder einen vielsagenden Blick zuwarf, der ihm eigentlich sagen sollte, dass Silver sich gefälligst eine Ausrede einfallen lassen sollte, statt das zu tun, was sein übereifriger Bruder in Wirklichkeit tat, als hätte er seinen Blick nicht bemerkt:
„Ja, Green-chan, wir waren einmal in Ägypten und hatten da recht viel…" Grinsend sah er seinen Bruder an und sagte:
„Spaß."
"Spaß"", wiederholte Blue spöttisch, sich wohl bewusst, dass er auf Silvers Schiene springen musste, damit es für Green nicht merkwürdig erschien und daher holte er auch aus:
„"Spaß" hatte ich nicht gerade. Durch diese Misere ist mein Nervenkostüm mit hoher Garantie erweitert worden. Genauer gesagt: das Wort „schrecklich" ist um einiges passender."
„Was ist denn genau passiert?", fragte Green, während sie die scharfe chinesische Soße auf den Tisch stellte und sich dann ebenfalls hinsetzte, doch nicht ohne ihnen „Guten Appetit" zu wünschen. Während Silver sich bereits auffüllte, mit dem gleichen Appetit, den sein Vater früher an den Tag gelegt hatte, nahm Blue die Soße, wo er wusste, dass sie nur für ihn auf dem Tisch stand, dass Green sie nur für ihn gekauft hatte, denn nur er mochte scharfes Essen. Seine beiden Mitstreiter blieben beim Süßsauren.
„Und?", stocherte die Hikari nach und hatte sich noch nicht einmal etwas zu essen aufgefüllt, weil sie zu sehr damit beschäftigt war, die beiden zu fixieren, damit sie ihr auch ja keine Ausflüchte unternahmen.
„Also, das war so…" Silver grinste, als er diese Standarteinleitung begann und eine dramatische Pause einlegte, in der er sowohl von Blue als auch von Green merkwürdig beäugt wurde, der eine skeptisch, die andere neugierig:
„Durch Zufall sind wir durch einen Auftrag in Ägypten gelandet; genauer gesagt sollten wir einen Wächter verfolgen, dem wir etwas abnehmen sollten." Gelogen.
„Dieser Wächter machte allerdings einen Ausflug in Ägypten, also mussten wir ihn suchen." Wahr.
„Und du kannst dir denken, wie sehr mein Bruder in einem Land wie Ägypten Amok gelaufen ist. Der war gar nicht mehr zu halten und suchte doch ziemlich… ausgiebig nach diesem Wächter." Mehr als wahr.
„Am Ende, nachdem wir dann alle verdammten verstaubten Ruinen hinter uns gelassen hatten, haben wir den Typ dann auch in einer von den drei Pyramiden ausfindig gemacht. Doch er wollte das, was wir abnehmen sollten, nicht so wirklich rausrücken."
Übertrieben und untertrieben.
„Also habt ihr freundlich nachgeholfen?" Beide sahen sich kurz an und Blue sah Silver deutlich an, dass er ein Grinsen unterdrücken musste, als er erwiderte:
„So kann man das sagen."
„Es war also ein wenig mehr als nur freundlich", konstatierte Green und tat so, als würde sie die beiden ernst und anklagend ansehen. Doch ihr anklagender Blick lockerte sich schnell auf, als sie Silver aufforderte, mehr zu erzählen; doch auch ein paar Details preiszugeben!
„Gut, dass du nachfragst, denn jetzt kommt das Witzige an der ganzen Sache! Also hör gut zu: du weißt ja, dass es drei Pyramiden gibt, nicht wahr, Green-chan?"
„Sag mir nicht, es gab mal vier und du hast die vierte zerstört", entfuhr es der Angesprochenen sofort und es war verblüffend, wie nah sie der Wahrheit war, dachte Blue ironisch. Das dachte Silver scheinbar auch, denn als er mit der Hand abwinkte lachte er. Doch bevor er fortfahren konnte, kam Blue nicht drum herum den Streber raushängen zu lassen:
„Genauer genommen gibt es viel mehr als nur drei, denn sie sind nicht nur in Ägypten errichtet worden, sondern auch in anderen Ländern der Menschenwelt. Daher wäre es korrekter zu sagen, dass wir hier von den Pyramiden von Gizeh sprechen."
„Jaja, ist gut. Wir haben nicht Geschichte und nach Streberinfos hat niemand gefragt!" Scheinbar ließ sich Blue jedoch nicht unterbrechen, denn er fuhr fort als hätte er nichts gehört:
„Um es noch genauer zu machen hatten wir das Glück die Cheops-Pyramide von innen zu betrachten, welche wahrlich vom menschlichen Erfindungsgeist zeugt. Sie ist…"
„Jetzt nicht wichtig!", unterbrach Silver seinen Bruder und übernahm wieder das Ruder, während Green sie angrinste und sich offensichtlich über deren Verhalten amüsierte.
„Jedenfalls, wie bereits gesagt, ehe ich unterbrochen wurde… war der Wächter in eben dieser Pyramide und da wir ja gezwungen waren, ihn freundlich zu fragen, fand ich es doch am besten ihn freundlich zu überreden, mit ein wenig… explosiven Argumenten."
Greens Augen verengten sich und sie sagte:
„Warte mal, du wolltest doch nicht ernsthaft die Cheops-Pyramide, eines der sieben Weltwunder, in die Luft sprengen!?" Ungläubig wandte sie ihren Blick von Silver ab und sah Blue an, in der Hoffnung, dass er ihr sagen könnte, dass das doch unmöglich wahr sein konnte. Doch dieser versicherte ihr mit einem Nicken, dass sie es genau richtig verstanden hatte. Green wollte gerade den Mund öffnen, um Silver höchstwahrscheinlich ins Gewissen zu reden, doch er kam ihr zuvor:
„Jaja, ich geb's zu, das war nicht gerade meine beste Idee. Aber ich war jung und… ja. Ich war jung." Scheinbar sah er wirklich selbst ein, dass sein Vorhaben ziemlich unangebracht gewesen wäre, denn seine Wangen wurden leicht rot und sofort rechtfertigte er sich:
„Aber ich hab's ja nicht getan, nicht wahr?" Beide sahen ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an und es war nicht zu übersehen, dass sie es ihm immer noch zutrauen würden, obwohl er nicht mehr „jung" war. Der Blick beider war anklagend, doch nur bis Green anfing zu lachen; etwas was Blue absolut nicht nachvollziehen konnte und sie daher nun ebenfalls fragend beäugte.
„Das ist doch typisch Sibi! Ich weiß gar nicht, warum ich so überrascht bin." Mit diesen Worten entschuldigte sie ihr plötzliches Lachen und fing daraufhin an, das Essen abzuräumen, wobei das eigentliche Thema verloren ging, da Silvers Aufmerksamkeit nun eher darin lag sich bei Green einzuschmeicheln, als die Geschichte irgendwie zu Ende zu führen. Damit blieben den beiden Brüdern weitere Lügen erspart, denn die Wahrheit konnte sich unmöglich in das Bild, welches Green von ihnen hatte, einreihen. Zwar war es, wie Green sagte, deren „typisches" Verhalten, doch es zeigte auch eine andere Seite von ihnen, von der sie lieber nicht wüsste, dass sie ebenfalls typisch war…

Juli 2000, Dämonenwelt</b>

„Ich hab' Sand im Schuh." Blue senkte seinen Blick Richtung Boden, wo Silver sich hingehockt hatte, um seine schwarzen Stiefel auszuziehen, nur um diese dann auf dem Boden auszuleeren, wo tatsächlich ein kleiner Haufen von hellem gelben Sand entstand. Blue schlug sich die Hand gegen die Stirn, besonders als sein kleiner Bruder doch tatsächlich die Dreistigkeit hatte, den nächsten Teppich hochzuheben und den Sand darunter schön zu verteilen, ehe er den Teppich fallen ließ und seine Tat somit nicht mehr zu sehen war.
Als er sich wieder aufrichtete und den Blick seines älteren Bruders bemerkte, sah er ihn unschuldig an und kratzte sich am Hinterkopf, sich wohl bewusst, dass dies nicht gerade zur guten Etikette gehörte.   
„Hat doch niemand gesehen", sagte er entschuldigend und Blue entschied sich, dies nicht zu kommentieren, jedenfalls nicht hier, im Anwesen Ri-Ils, bezüglich dem Hauptsitz seines recht formidablen Frauenhandels, welchen er natürlich nicht so nannte, sondern stets „Gewerbe" betitelte. Das Anwesen war seit circa 50 Jahren im japanischen Stil gebaut und wirkte daher nicht nur von außen, sondern auch von innen ziemlich deplatziert in der Dämonenwelt. Doch davon ließ sich Ri-Il nicht beeinflussen, sondern eher von den Freudenhäusern der Menschenwelt, die er vor den Zeiten des Bannkreises immer wieder aufgesucht hatte, um Inspiration zu sammeln, da er immer auf Abwechslung aus war: immerhin war er ein guter Geschäftsführer. Sein abwechslungsreicher Geschmack spiegelte sich auch in der Auswahl seiner Damen wieder, denn er hatte weitaus mehr als Geishas zu bieten.     
Einer dieser Damen stürzte gerade die Holztreppe herauf, ihr wehendes rotes Haar hinter ihr her und darum bemüht, ihre Seidenkleidung in den Griff zu bekommen, damit sie in ihrer Eile nicht von ihrem nackten Körper herunterrutschte, obwohl das wahrscheinlich momentan nicht ihr Hauptanliegen war, wenn man ihr erzürntes Gesicht interpretierte, mit welchem sie auf die beiden Dämonenbrüder zuging und ohne auf sie zu achten die Schiebetür zu dem Büro Ri-Ils rabiat beiseite stieß, vor der Silver und Blue gerade noch geduldig gewartet hatten, ehe sie ihren Bericht vortragen würden. Aber darauf achtete sie nicht, denn sie war das Herzstück Ri-Ils Sammlung und sich dessen durchaus bewusst – sie war der Diamant, die Teuerste, die er anzubieten hatte, diejenige, der er ein großes Stück seines Gebietes zu verdanken hatte: Mekare.
„RI-IL!" Und die einzige, die ihn nicht wie die anderen Mädchen mit „Meister" ansprach, sondern schlichtweg auf jedes Suffix verzichtete. Erstaunt über Mekares Verhalten blieben Blue und Silver in der offenen Schiebetür stehen und sahen so, wie Ri-Il unfreiwillig eine Videokonferenz mit den anderen Hohen unterbrechen musste, denn kaum dass Mekare das großzügig eingerichtete Zimmer betrat, war Ri-Il dazu gezwungen, die Übertragung zu unterbrechen, wenn er nicht wollte, dass die anderen Fürsten sahen, wie Mekare mit ihrem Fächer auf ihn einschlug – unnütz zwar, da sie so schwach war, dass er es kaum spüren konnte, aber dennoch nicht unbedingt etwas, was andere Fürsten sehen sollten.
„Was kann ich für dich tun, Mekare-chan?", fragte Ri-Il wie immer doch recht entspannt ohne darauf zu achten, dass seine Teuerste mit dem Fächer auf seine Schulter niederschlug, für welche sie sich ziemlich strecken musste, um überhaupt ranzukommen. Während er dies fragte, entdeckte er Silver und Blue und winkte ihnen zu, dass sie hereinkommen sollten, doch er kam nicht dazu etwas zu sagen, denn Mekare fauchte ihn an wie eine wütende Löwin:
„Ist es wahr, was ich gehört habe!? Dieses Arschloch von einem Fürsten hat noch nicht für mich bezahlt!?"
„Ich denke mit „Arschloch von einem Fürsten" meinst du Murien, da er der einzige ist, der dich in letzter Zeit gekauft hat."
„Genau diesen Kerl meine ich! Hast du eine Ahnung, wie scheiße das war?! Ich hab ja schon mit vielen geschlafen, aber das! Der hat mich…" Gerade als sie ausführen wollte, was ihr Kunde mit ihr getan hatte, schien sie Silver und Blue zu bemerken und schien sich dann doch eines Besseren zu besinnen, da sie scheinbar das Sein zweier Zehnjähriger nicht mit solch einem Wissen belasten wollte. Diese Chance nutzte Ri-Il zu seinen Gunsten aus und richtete nun sein Wort an seine zwei Schüler:
„Warum seid ihr denn schon wieder zurück?"
„Wir wollten Bericht erstatten, Sensei", antwortete Blue pflichtbewusst und versteifte sich sofort, als Ri-Il ihn ansah.
„In seinem Heimatland Kongo haben wir herausgefunden, dass der gesuchte Wächter sich momentan in Ägypten aufhält. Die befragte Nachbarin sagte aus, dass er zusammen mit seiner menschlichen Frau "Sightseeing" machen würde. Da dies die Umstände des Auftrages komplett ändert, haben wir uns dazu entschieden, Ihnen Bericht zu erstatten." Ri-Il schien kurz nachzudenken, was ihm scheinbar nicht schwer fiel, obwohl Mekare das Schweigen aufgegeben hatte und weiterhin auf ihn einredete, dass er jawohl dafür sorgen solle, dass Muriel bezahlte und dass das jawohl überhaupt nicht Ri-Ils Art war und so gar nicht angehen konnte...
„Ich finde, dass ihr zwei dann auch mal Sightseeing macht." Fragend wurde Ri-Il von seinen zwei Schülern angesehen, doch zum Nachfragen kamen sie nicht mehr, denn er fuhr bereits selbst aus:
„Wie ihr aber ja allerdings seht und hört, so habe ich keine Zeit, euch zu begleiten."
„Das bedeutet also, wir sollen weiterhin nur Informationen sammeln?", fragte Silver offensichtlich genauso verwundert über die ungewohnte Situation wie Blue, denn es war bis jetzt immer so gewesen, dass es sich, wenn sie alleine einen Auftrag machen sollten, nur darum handelte, Informationen zu sammeln, denn ohne ausreichende Informationen setzte Ri-Il seine beiden Schüler nie darauf an, jemanden umzubringen. Wenn sie jemanden töten sollten, dann observierte sie Ri-Il während des gesamten Ablaufes des Auftrages.
„Ach, ich denke ihr habt langsam genug Informationen gesammelt. Wie wäre es mit ein bisschen Handlung?"
„Ihr meint...", formulierte Blue ein wenig zögernd seine nächste Frage:
„... dass wir den Wächter ohne Euch töten sollen?" Nun dauerte es Mekare zu lange, denn sie ergriff plötzlich die Wortgewalt und richtete diese an die beiden Dämonenbrüder:
„Ja, genau das meint er! Also los, damit wir endlich los können!" Und mit einem „Viel Glück" und der Aussage, dass sie 24 Stunden Zeit hätten, den Wächter umzubringen, wurde Silver und Blue klar, dass sie lieber das Zimmer verlassen sollten, wenn sie nicht von Mekare und ihrem Fächer heraus geprügelt werden wollten.


Blue und wahrscheinlich auch Silver waren sich bewusst, dass dieser Auftrag von großer Wichtigkeit war, denn es war immerhin der erste, denn sie gänzlich alleine durchführen mussten, ohne jegliche Hilfe oder Observation: sie waren auf sich alleine gestellt. Es war ein Test Ri-Ils, ein Test, der ihnen Vorteile bringen könnte, wenn sie ihn bestanden. Dennoch war Blue mehr als skeptisch dem Auftrag gegenüber: nicht nur, dass sie ein Zeitlimit bekommen hatten, was sie normal nie hatten, sondern auch, dass sie für Ri-Ils Verhältnisse viel zu wenig Informationen hatten.
„Also, um die paar Informationen durchzugehen, die wir haben...", begann Blue, während sie in der prallen Sonne Ägyptens dabei waren, zum nächsten Sightseeing-Ort zu gelangen:
„Wir suchen einen Erdwächter des dritten Ranges mit dem Namen Kaspersel Tsuchi Renium. Er ist mit seiner Frau Julia Renium unterwegs, die offensichtlich von seinen magischen Fähigkeiten Bescheid weiß, denn sie haben weder ein Hotel gebucht, noch einen Flug nach Kairo, woraus wir schließen können, dass unser gesuchter Wächter sich zusammen mit seiner Frau teleportiert hat und nicht vorhat, hier zu übernachten, sondern nur die Sehenswürdigkeiten Ägyptens zu bestaunen. Senseis Informationen zufolge ist er nicht besonders stark oder talentiert und hat seit mehreren Jahren nicht mehr gekämpft. Wenn wir ihn aufspüren, sollte es uns ein leichtes sein, ihn zu töten." Während diesem kleinen Vortrag hatte Silver das Foto der zwei aus seiner Tasche heraus geholt, welches sie in deren Haus gefunden hatten.
„Es wird schwer, ihn zu finden", sagte Silver mit einem Seufzen und zeigte mit dem Finger auf die Haare des Erdwächters, welche braun waren und damit leider allzu perfekt in einer Menschenmenge untergingen. Seine Frau war genauso wenig auffallend, mit ihren schulterlangen, schwarzen Haaren.
„Sie könnten jedes Paar sein!"
„Leider hast du Recht. Das einzige, worauf wir uns stützen können, ist seine Aura." Jäh wurde Blues Aufmerksamkeit jedoch von etwas anderem gefangen, da sie nämlich die recht gut erhaltenen Ruinen des Karnak-Tempels betraten. Silver bemerkte sofort, dass die Augen seines Bruders zu leuchten begannen, als sie die ersten mit Hieroglyphen verzierten Säulen passierten, woraufhin Blue sofort ein wenig langsamer wurde, um so viel wie möglich in sich aufnehmen zu können.
„Wenn mich nicht alles täuscht, gelangen wir gleich in den Tempel des Amun-Re, der größte Tempel in dieser Tempelanlage, welcher aus zehn Pylonen besteht; das sind die monumentartigen, doppelttürmigen Bauten, die wir da hinten sehen können: etwas, wofür das alte Ägypten bekannt ist. Der größte ist fast 113 Meter groß. Ich glaube, das ist sogar der, den wir von hier aus sehen können..." Silver antwortete nicht, sondern hüllte sich in Schweigen, während er neben seinem Bruder schlenderte, mit den Händen in den Taschen, den momentanen Schatten genießend, den er den abertausenden Säulen zu verdanken hatte, seinem Bruder lauschend, der weiterhin wie ein Wasserfall berichtete, wozu die verschiedenen Tempel dieser Anlage gebraucht wurden, nur um sich manchmal selbst zu unterbrechen, wenn er zu sehr von irgendetwas fasziniert wurde, dass er stehen bleiben musste.
Silver wusste, dass er seinen überschwänglichen Bruder eigentlich unterbrechen musste; ihn darauf hinweisen musste, dass sie keine Touristen waren und dass ihre Aufgabe nicht daraus bestand, dass sie Sightseeing machen sollten, sondern einen Wächter ausfindig zu machen, und diesen zu töten. Doch das tat er nicht und er konnte sich selbst nicht erklären warum, denn es lag wohl kaum an dem Inhalt von Blues Vortrag, da es Silver wenig interessierte, wozu diese Ruinen gut waren oder was der Hintergrund dieser war. Vielleicht war der Grund weshalb er schwieg einfach der, dass er es fast schon genoss, seinen Bruder so froh zu sehen: Es war selten, dass er Blue so ausgelassen wie jetzt sah und reden hörte. In der Dämonenwelt, ihrer Heimat, war es Silver, der viel redete und nicht umgekehrt. Blue schwieg, sprach nur, wenn er aufgefordert wurde. Obwohl sie ihr Menschendasein nun schon so viele Jahre hinter sich gelassen hatten, kam es Silver manchmal so vor, als hätte Blue es immer noch nicht ganz hinter sich gelassen. Es war fast so, als hätte Blue etwas verloren… einen Verlust, dem er immer noch hinterher trauerte, egal, wie gut er seine Pflichten Ri-Il gegenüber erfüllte, denn was das anging, war er eindeutig der bessere Schüler von den beiden. Silver verstand manchmal nicht einmal, warum sie Wächter töten sollten. Das einzige, was er wusste, war, dass es getan werden musste, dass es ihr Auftrag war und dass Aufträge ohne Fragen ausgeführt werden müssten. Aber den genauen Hintergrund kannte er nicht. Vielleicht interessierte es ihn nicht. Vielleicht wollte er es auch einfach nur nicht wissen.
Fakt war jedoch, dass sie beide gleich gut töten konnten.
Und solange dies so war konnte es egal sein, was Blue vermisste und wie stark er dies tat.
Daher gönnte Silver seinem Bruder den kurzen Moment des Vergessens des Bewusstseins, dass sie hier waren, um zu töten, dass sie Dämonen waren; kein Menschen.
Silver kam trotzdem nicht drum herum seinen Bruder anzugrinsen, als sie vor einem großen Obelisken standen, der zu Besichtigungszwecken auf dem Sand lag, damit die Touristen die Verzierungen bestaunen konnten, was Blue ebenfalls tat. Dieser bemerkte allerdings schnell das neckische Grinsen seines Bruders und schien den Hintergrund schnell zu bemerken, denn seine Wangen färbten sich rot, als wäre er bei etwas Verbotenem ertappt worden.
„Es scheint, als würde dir dieser Auftrag wirklich sehr gut gefallen, was, Aniki?", fragte Silver neckisch, wodurch die Röte sogar noch stärker wurde und Blue sich aus Scharm sogar von ihm wegdrehte und geschickt vom Thema ablenkte:
„Ich glaube, wir sollten zur nächsten Sehenswürdigkeit. Hier ist keine Aura zu spüren."
„Oh, gerne. Wo geht es denn als nächstes hin, Herr Reiseführer? Nachdem wir nun das ägyptische Nationalmuseum, den Tempel des Luxor, das Tal der Könige und andere sandige Orte, wo Sie eindeutig großen Spaß dran hatten, hinter uns gelassen haben?" Blue sah über die Schulter zurück zu dem grinsenden Rotschopf und antwortete erst einmal nicht. Seine verengten Augen und die nach wie vor vorhandene Röte sprachen jedoch Bände, was Silvers Grinsen nur noch verstärkte. Dieses nicht beachtend holte Blue einen Mini Reiseführer aus seiner Tasche, welchen Silver in Kairo „gefunden" hatte und schlug eine von ihm markierte Seite auf, wo er deren Route niedergeschrieben hatte und klärte seinen Bruder über deren nächsten Bestimmungsort auf: die Pyramiden von Gizeh.          
   

Die Pyramiden von Gizeh lagen in einem wüstenähnlichen Gebiet einige Kilometer von Kairo und somit dem Nil entfernt und waren, zusammen mit dem Tal der Könige, wohl der meist besuchte Ort Ägyptens, obwohl dieser Ort nicht nur ein Magnet für Touristen war, sondern auch für Terroristen. Dieser doch recht negative Faktor hatte den Andrang an Touristen kaum geschwächt. Von dort, wo die beiden Dämonenbrüder im Moment standen, konnten sie das Gebiet vor ihnen gut überblicken, wo sich die drei Pyramiden aus dem Sand erhoben, bewacht von der steinernen, nasenlosen Sphinx, umzingelt von tausenden von Händlern, die verzweifelt mit jedem noch so kleinen Trick versuchten, ihre Ware unter den Urlaubern loszuwerden. Während diese fündig wurden was Souvenirs anging, so waren auch Silver und Blue endlich fündig.
„Endlich", sagte Blue konstatierend:
„Eine Aura."
„Ja, aber sie ist sehr schwach", bemerkte Silver, während die beiden Brüder den Sandberg mit schnellen Schritten herunter gingen, darauf bedacht, nicht herunter zu rutschen.
„Das kann auch daran liegen, dass sie weiter weg ist. Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass der Wächter schwach ist." Silver verdrehte die Augen und antwortete:
„Jaja, auf alles gefasst sein, ich weiß." Unten angekommen schlängelten sie sich gekonnt durch die Touristen, der Aura hinterher. Mal wieder war es ein Vorteil, dass sie Halbdämonen waren, denn deren Aura war lange nicht so auffallend wie die eines vollblütigen Wächters oder Dämonen; jedenfalls jetzt noch nicht, erst wenn sie älter und stärker werden würden, würde ihre Aura genauso sehr aus der Menschenmenge hervorstechen wie die der anderen Dämonen. Im Moment war es ein Vorteil, dass ihre magische Abstammung zwischen den vielen Menschen verloren ging.
„Wie gehen wir vor?", fragte Silver und Blue täuschte sich nicht, als er dachte, dass er eine gewisse Vorfreude aus Silvers Stimme heraus zu hören glaubte. Die beiden Halbdämonen blieben stehen, als sie bei der Warteschlange ankamen, die zur größten Pyramide, der Cheops-Pyramide, gehörte. Nur zehn Besucher auf einmal durften die Pyramide, begleitet von einem Fremdenführer, betreten, daher war die Schlange recht lang.
„Laut meinem Gefühl müsste er da drinnen sein", bemerkte Silver und reckte genau wie Blue seinen Hals, um die Spitze des Bauwerkes sehen zu können.
„Das passt gut", sagte Blue nachdenklich und wandte sich an Silver, wobei Blue sofort bemerkte, dass Silver der Kampfort auf jeden Fall nicht gefiel. Davon ließ er sich jedoch nicht beirren und führte aus:
„Die momentane Führung scheint gerade erst angefangen zu haben und jede Führung dauert um die 20 Minuten."
„Woher weißt du das?"
„Ich kann lesen", mit diesen Worten machte er einen Wink zu einem Schild, welches die Wartenden über die Besichtigungen aufklärte und fuhr fort:
„Dieser Mord muss schnell, lautlos und ohne Spuren ausgeführt werden."
„Oh ja, genau mein Spezialgebiet", antwortete Silver ironisch und mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Teleportieren wäre sehr unklug, da wir nicht genau wissen, wie die Pyramide von innen aussieht und ich nicht in irgendeinem von den vielen Geheimgängen landen will. Daher wirst du uns rein bekommen. Kriegst du das hin?" Ein Grinsen breitete sich nun doch langsam auf Silvers Gesicht aus und er erhob den Daumen, um ihn zu verdeutlichen, dass er das auf jeden Fall hinbekommen würde.
„Und weiter?", hakte er nach, woraufhin Blue ausführte:
„Drinnen in der Pyramide angekommen werden wir sicherlich von dem Wächter bemerkt werden, da unsere Aura unter zehn Menschen nicht versteckt bleiben wird. Da es die Aufgabe der Wächter ist, Menschen zu beschützen, wird er versuchen, die Menschen aus der Gefahr heraus zu holen. Entweder indem er selbst die Pyramide verlässt oder die Menschen rausschickt. Für uns am Praktischsten wäre das Letzte."
„Wieso? Hier draußen können wir doch viel besser kämpfen."
„Oh nein, das ist ein Trugschluss. Er ist ein Erdwächter und diese Gegend hier, die außer den Pyramiden und der Sphinx nichts anderes beherbergt außer Sand, ist für ihn die perfekte Voraussetzung für einen Kampf, der unseren Tod bedeuten könnte."
„Aber wenn er die Menschen nicht in Gefahr bringen will, dann wird er ja wohl nicht hier kämpfen? Hier sind sicherlich dreihundert Menschen, wenn nicht sogar noch mehr."       
„Er wird sich sicherlich bewusst sein, dass wir hinter ihm her sind, daher wird er sich so weit wegteleportieren, dass er mit einem Kampf niemanden mehr in Gefahr bringt. Wenn das passiert, sind wir im Nachteil. In der Pyramide sind wir im Vorteil, da er als Wächter sicherlich nicht eines der sieben Weltwunder zerstören will. Wir sollten ihn daher daran hindern die Pyramide zu verlassen, in dem wir ihn schnell und lautlos töten: Ich schlage Genickbruch vor. Das ist absolut ohne magische Spuren und die Menschen können sich gegenseitig beschuldigen." Deutlich sah Blue, dass Silver von diesem Plan absolut nicht begeistert war. Er war nie von Plänen begeistert, die weder boom noch beng beinhalteten, sondern wo Fingerspitzengefühl verlangt wurde, nein, das war nichts für Silver. Dennoch beugte er sich dem Vorschlag seines Bruders und die beiden Brüder lösten sich aus der Schlange, um langsam nach vorne zu kommen, die bösen Blicke der Wartenden nicht beachtend.
„Weißt du, wie du das anstellen willst?", fragte Blue, als sie kurz vor der Spitze der Schlange waren.
„Oh ja, das weiß ich, überlass das nur mir: dem Profi der verbotenen Künste!" Jetzt war es Blue, der die Augen verdrehte, da es nur allzu offensichtlich war, dass Silver es liebte herauszukehren, wer von ihnen die verbotenen Künste beherrschte und wer nicht. Egal wie oft Blue entgegnete, dass er keine verbotenen Künste benötigte, um einen Auftrag erfolgreich zu beenden, so schien das für Silver kein Argument zu sein, denn er liebte diese Künste, obwohl er bis jetzt nur zwei gelernt hatte und Blue war sich nicht sicher, ob er diese liebte des Zwecks wegen oder weil er damit etwas konnte, was sein großer Bruder nicht konnte.
Vorne angekommen wurden sie nicht nur von den ersten Touristen schief angeguckt, die befürchteten, dass Silver und Blue sich vordrängeln wollten, sondern auch von derjenigen, die darauf achtete, dass niemand ohne Erlaubnis einfach so in die Pyramide hineinrannte. Die schwarzhaarige Frau setzte allerdings ein Lächeln auf ihr braungebranntes Gesicht und sagte freundlich auf Englisch:
„Jungs, ihr müsst euch wieder in die Reihe stellen und warten. Hier darf man nicht vordrängeln." Blue wählte das Schweigen, während er unauffällig auf die Armbanduhr der Frau sah, um auszurechnen wie viel Zeit ihnen noch blieb, ehe die zehn momentanen Besucher aus der Pyramide herauskamen. Sie hatten noch 16 Minuten.
„A-Aber Miss, wir wollen gerne zu unseren Eltern, die sind da drinnen." Kurz bevor Silver dies mit seiner piepsigsten und süßesten Stimme gesagt hatte, hatte Blue dank seines gut ausgebauten Gehörs gehört, wie Silver leise die Formel für die verbotene Technik aufgesagt und damit die Fähigkeit kurzweilig erhalten hatte, Illusionen herauf zu beschwören. Eine simple Art der Hypnose, die kaum Aufwand benötigte. Bei magischen Wesen wirkte sie nicht gut, aber sie war perfekt für Menschen.
„Die sind in der Pyramide?", fragte die Frau gleich um einiges sanfter gestimmt und Blue fragte sich, was Silver sie sehen ließ.
„Was machen deine Eltern denn in der Pyramide, während ihr hier draußen seid?"
„Sie… sie waren sauer auf mich, weil ich unartig war… und ich möchte mich entschuldigen. Am liebsten jetzt… darf ich bitte? Bitte, bitte?" Nur einen kurzen Moment zögerte sie, sah auf ihre Uhr und sagte dann:
„Aber natürlich dürft ihr. Ich ruf schnell einen Mitarbeiter an, der euch reinführen wird…"
„Nein, nein!", sagte Silver schnell, auf diese Reaktion scheinbar nicht gefasst und daher war seine Stimme plötzlich auch viel zu alt, was er sofort bemerkte und hüstelte, woraufhin er wieder mit seiner kindlichen Stimme ausführte:
„Das müssen Sie nicht, wir… waren schon einmal da drinnen und mein großer Bruder kennt sich ganz doll aus, ne, Aniki?" Blue beeilte sich mit dem Nicken und fügte mit einem weniger gut dargestellten Lächeln hinzu:
„Sie müssen sich keine Sorgen machen, Miss. Wir sind gleich wieder draußen." Und ohne auf die Antwort zu warten, gingen Silver und Blue an der netten Frau vorbei, in Richtung Pyramide. Kaum, dass sie außer Hörweite waren, sagte Silver mit einem arroganten Schwung seiner roten Haare:
„Du brauchst nicht zu betonen, wie genial ich bin. Ich weiß es!"
„Ich hoffe, du weißt auch, dass du dringend dein Englisch verbessern musst. Es ist nämlich ziemlich gebrochen", antwortete Blue, um seinen Bruder wieder von dessen Wolke herunter zu holen. Gerade als Silver antworten wollte, fragte der Stachelkopf, was für eine Illusion er benötigt hatte, um einer unnötigen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Silvers Antwort folgte erst, als sie über die paar Steinbrocken geklettert waren, die um den Eingang herum lagen, welcher heutzutage der Haupteingang der Cheops-Pyramide war, obwohl es nicht der eigentliche Eingang war. Der eigentliche Eingang war nicht länger zugänglich, daher benutzte man diesen, der vor zirka 4000 Jahren von Grabräubern gegraben worden war, um sämtliche Schätze des hier ruhenden Pharaos zu rauben.
„Die Frau hat nichts anderes gesehen als zwei kleine Jungs, die ihre Eltern suchen", antwortete Silver grinsend, als sie in die Dunkelheit der Pyramide traten, die für deren an die Dunkelheit gewöhnten Augen jedoch nicht lange eine Behinderung darstellte, besonders da der Boden von elektronischen Lampen in schummriges Licht getaucht wurde und die Konturen eines fast 40 Meter langen Gang preisgab, der ausgestorben vor ihnen lag. Anders als viele der anderen ägyptischen Pyramiden waren die Wände der Gänge der Cheops-Pyramide nicht mit Zeichnungen und Hieroglyphen verziert, sondern waren nichts anderes als kahle Steinwände. Auf diese Weise hatte Blue auf jeden Fall nichts, was seinen Wissensdurst entfachen konnte, dachte Silver mit einem leichten Grinsen.
Nachdem sie etwa die Hälfte hinter sich gelassen hatten, blieb Blue kurz stehen und spitzte die Ohren. Silver, der einige Schritte weiter gegangen war, drehte sich zu seinem Bruder um und fragte ihn, was los sei.
„Fällt dir nichts auf?", flüsterte Blue so leise, dass nur die Ohren eines Dämonen es hören konnten. Silvers Augen verengten sich ebenfalls und auch er schien seine Ohren zu spitzen. Nach wenigen Sekunden sagte er:
„Verdächtig ruhig dafür, dass hier zehn Touristen sein sollten." Blue nickte daraufhin nur, da er sich entschlossen hatte, trotz seines flauen Magengefühls deren Weg fortzusetzen, was Silver ihm kommentarlos nachmachte, beide eher angespannt. Da sie beide eine Gefahr witterten, wechselten sie vorsichtshalber in den Dämonenmodus, wodurch der Gang vor ihnen um einiges klarere Konturen annahm. Ohne, dass etwas passierte, erreichten sie das Ende des Ganges, wo es einmal nach oben und einmal nach unten ging; eine Art Verbindungsgang. Blue zeigte nach oben, wo er wusste, dass sich nach einem weiteren Verbindungsgang die sogenannte „Große Galerie" befand.  Diese Galerie war zwar nur was die Höhe und Länge anging des Adjektivs „groß" würdig, doch auf jeden Fall besser als die verschiedenen Verbindungsgänge geeignet für einen vielleicht unvermeidlichen Kampf, trotz der Breite von gerade mal zwei Metern.
„Blue", raunte Silver seinem großen Bruder zu, der ein wenig weiter vorne ging als er:
„Falls das hier in einem Kampf endet, ist „lautlos und schnell" nicht mehr garantiert, was ma-" Die unbeantwortete Frage Silvers wurde schnell beantwortet, kaum, dass sie auch nur einen Fuß in die orangebeleuchte Galerie traten: es gelang Silver gerade in letzter Sekunde seinen Oberkörper nach hinten zu werfen, ansonsten wäre seine Stirn von einem pfeilschnellen Geschoss durchbohrt worden.
„Was zur Hölle!?", entfuhr es Silver, kaum dass er sich wieder aufgerichtet und herum gedreht hatte, so dass er gerade noch sah, wie eine kleine schwarze Patrone sich in den jahrhundertealten Stein bohrte.
„Er greift uns mit einer Pistole an?!"
„Silver!" Der Rotschopf war ein wenig zu überrascht von dieser unerwarteten Situation, als dass er bemerkt hätte, dass der unbekannte Angreifer ein weiteres Mal auf ihn schoss. Doch zum Glück hatte sein Bruder sich nicht wie Silver geschockt herum gedreht und so rechtzeitig gehandelt, um ihn aus der Schusslinie heraus zu stoßen.
Das Geschoss verfehlte knapp Blues Wange und bohrte sich fast genau neben dem Ersten in die Steinwand, im gleichen Moment, wie deren Angreifer aus dem hinteren Schatten der Galerie heraus trat. Mit erhobener Pistole zeigte der braunhaarige Wächter auf die beiden Dämonen, die nun, da Silver wieder aufgestanden war, nebeneinander standen. Als er sie ansah, hob er die Augenbraue und sagte auf Englisch:
„Ihr seid ja noch Kinder! So tief sind die Dämonen also schon gefallen, dass sie schon Kinder ihre Drecksarbeit machen lassen!" Silver, der trotz der ziemlich ungünstigen Situation natürlich dennoch nicht den Mund halten konnte, antwortete:
„Und was ist mit dir? Seit wann müssen Wächter denn Schusswaffen benutzen?"
„Silver, halt die Klappe!", raunte Blue dem Rotschopf so leise zu, dass der Wächter es wohl kaum gehört hatte. Doch der etwas ungünstige Kommentar seines Bruders löste eine andere Reaktion bei deren Angreifer aus; er fing an zu reden:
„Ja, ich bin vielleicht nicht so ein toller Wächter wie ich sein sollte, ja, ich kann mein Element überhaupt nicht kontrollieren, mache damit mehr kaputt, als dass ich Leben rette…" Er unterbrach sich selbst, da er schniefen musste und zu Recht raunte Silver seinem Bruder zu:
„Sag mal, heult der da gerade?" Anscheinend war das jedoch nicht so leise wie es hätte sein sollen, denn der Wächter antwortete:
„Ja, ich weine! Denn meine Tränen sind ein Zeugnis meiner Unfähigkeit! Ich bin ein kläglicher Versager – oh, wie es mir Leid tut, erhabene Hikaris! Ich tauge zu nichts, kann euch nicht dienlich sein, verzeiht mir…"
„Blue, ich glaube, der hat sie nicht mehr alle." Plötzlich schien er sich jedoch wieder zusammenzureißen, denn mit gefestigter Stimme fuhr er fort:
„…  aber dennoch werde ich diese zwei Dämonen für euch hinrichten! Denn obwohl ich meines Elementes unwürdig bin, so bin ich sehr gut darin, Auren zu spüren und, ja, was sagt ihr nun, ihr zwei Wesen der Dunkelheit, ich habe euch schon die ganze Zeit gespürt! Und kaum, dass ich euch…"
„Ich möchte meine Aussage gerne korrigieren: Er ist vollkommen verrückt!"  
„… gespürt hatte, beschloss ich mich dafür, meine Familie in Sicherheit zu bringen, denn ja, da hört ihr richtig! Meine Familie besteht aus zehn Mitgliedern, die sich alle meines Wächterdaseins bewusst sind und ich lasse nicht zu, dass sie wegen euch in Gefahr gebracht werden! Also, ja, dann habe ich sie wegteleportiert, denn ja, darin bin ich auch gut! Und dann habe ich seelenruhig darauf gewartet, dass ihr hier in der großen Galerie auftauchen würdet – denn hier wird auch euer Grab sein, denn ich habe euch hier hin gelockt!" Schweigen, denn nach diesem Wortschwall musste der arme Wächter erst einmal tief Luft holen, als hätte er sämtliche Luft daran verbraucht, diesen Vortrag zu formulieren und auszusprechen.  Anscheinend fand sein Publikum den Vortrag nicht gerade unterhaltsam, denn beide sahen den unfähigen Wächter mit hochgezogenen Augenbrauen an und Silver konnte einen ironischen Kommentar nicht zurückhalten:
„Hast du das aber gut gemacht!"
„Schweig, du Ausgeburt der Hölle!" Scheinbar brachte Silver dies nicht zum Schweigen, denn er öffnete schon den Mund, um zu kontern, doch Blue unterbrach ihn, ohne etwas zu sagen. Er warf ihm seinen typischen „großen Bruder Blick" zu, der ihm sagte, dass er lieber ruhig sein sollte, doch Silver antwortete mit dem „Lass mich nur machen Blick" und versicherte seinem Bruder so, dass er einen Plan hatte:
„Ja, stimmt, ich bin ja eine Ausgeburt der Hölle, aber ich kann wenigstens meine Kräfte kontrollieren. Ich kann mich meinem Meister gegenüber beweisen und mir Respekt verdienen. Wie machst du das eigentlich, wenn du dein Element nicht beherrschen kannst? Nur mit Auren spüren und Dämonen mit einer Pistole zu bedrohen? Ja, das würde ich als Hikari auch überaus lobenswert empfinden." Blue sah dem Wächter deutlich an, dass jedes noch so kleine Wort Silvers seine Wut mehr und mehr entfachte. Er konnte sich keinen Reim daraus machen, warum er das tat, denn der Wächter ließ seine Angriffsposition dadurch jedenfalls nicht fallen, dafür erschien er trotz allem noch zu geübt zu sein im Umgang mit der Pistole. Blue wusste, dass die momentane Situation nichts für sein Nervenkostüm war – an jedem anderen Ort hätte er nichts gegen einen Kampf mit einem instabilen Wächter gehabt, aber nicht in einem der sieben Weltwunder und schon gar nicht mit seinem aggressiven Bruder, der viel zu unüberlegt handelte und sich obendrein auch nicht der geschichtlichen Bedeutung dieses Bauwerkes bewusst war. Ein falscher Schritt von einem der beiden und die Cheops-Pyramide würde wirklich bald der Geschichte angehören!
Silver grinste breit, als er weiter ausführte:
„Aber ja, ich vergaß: Die Hikaris finden das ja nicht lobenswert, immerhin bist du ja nur ein Wächter des dritten Ranges!" Einen Moment lang befürchtete Blue, dass der Wächter wie ein Berserker auf sie losschießen würde, doch das Gegenteil trat ein: er brach in Tränen aus.
Auf diesen Moment schien Silver gewartet zu haben, denn er nutzte seine schon damals unnormale Schnelligkeit aus, um in wenigen Sekunden die große Galerie zu durchqueren. Blue erkannte an seiner Position, dass er den Wächter hatte treten wollen, doch Silver schien ihn unterschätzt zu haben, denn trotz seines von Tränen verschmierten Gesichtes, hob er seine Pistole und schoss in genau dem richtigen Moment ab, um Silver an der Schulter zu erwischen und ihn gegen die hohen Wände der Galerie knallen zu lassen.
„Vielleicht bin ich eine Heulsuse, aber so unfähig bin ich nun auch wieder nicht!"  
Von einem Moment auf den anderen war es, als ob Blue sich selbst nicht mehr kontrollieren konnte. Er spürte, wie er zum Lauf ansetzte, als die Welt um ihn herum sich verlangsamte.
In Zeitluppe sah er wie der Wächter ein weiteres Mal seine Pistole erhob, auf das Herz seines Bruders zielte, der mit verbissenem Gesicht hinter seinem Rücken schwarze Magie sammelte, um sein Gegenüber zu töten,  ehe es umgekehrt der Fall war, ohne Rücksicht auf seine Umgebung, die wahrscheinlich nicht nur arg in Mitleidenschaft gezogen, sondern vielleicht sogar zerstört werden würde.
„Silver, nein!" Noch während Blue dies rief, streckte er die Hände und Arme aus, wollte dem Wächter eigentlich damit die Waffe aus der Hand reißen, doch tat dies anscheinend zu unüberlegt, denn statt seines eigentlichen Vorhabens rammte er den Wächter frontal, genau wie er es kurz zuvor bei Silver getan hatte. Diesmal allerdings mit einem schmerzlichen Nebeneffekt: ehe der Wächter gegen die Wand krachte, löste sich ein Schuss aus seiner Pistole und kaum, dass Blue sah, dass dessen Finger sich auf dem Abzug befand, so spürte er bereits einen brennenden Schmerz in seiner rechten Kniescheibe, welche ihn umgehend zu Boden warf und einen Schmerzensschrei aus seiner Kehle entfesselte.
„ANIKI!" Blue spürte die Hände seines Bruders auf seinem Rücken, die ihn umdrehten und ihn ein weiteres Mal leise aufschreien ließen, was er versuchte zu unterdrücken, besonders als er das besorgte Gesicht seines Bruders über sich sah.
„Aniki! Aniki, geht es dir gut!?"
„Du Vollidiot, kümmere dich lieber… um den Wächter!" Silver wandte seinen Kopf in die Richtung, wo der Wächter lag, und wieder zurück zu seinem Bruder.
„Du bist hier der Vollidiot, denn der Wächter ist tot. Ich glaube Genickbruch." Blues von Schmerzen beeinträchtigtes Gehirn kam zur Feststellung, dass der Kopf des Wächters wohl gegen die Wand geschlagen war, was zu einem Genickbruch geführt hatte – aber egal was es war, er war wirklich tot, denn Blue fiel auf, dass er dessen Aura nicht mehr spüren konnte.
Sie hatten den Auftrag ausgeführt und überlebt.
Silver hievte Blue auf seine Schulter, um seinen großen Bruder Huckepack zu nehmen und kaum, dass Blue unter Schmerzen richtig lag, stellte Silver grinsend fest:
„Das ist das erste Mal, dass ich dich Huckepack nehme. Sonst ist das immer anders rum."
„Ich bin ja auch der große Bruder."
„Und ein geschichtsliebender Idiot - dass du dich extra in die Schusslinie wirfst, nur um mich davon abzuhalten, ihn mit Beng-Effekt umzubringen, ist einfach nur bescheuert."
„Dein Vorhaben ist es genauso: alleine auf die Idee zu kommen, eines der sieben Weltwunder zu zerstören!"
„Ich weiß gar nicht, was du hast; hat doch alles geklappt!"
„Das hier nennst du „geklappt"?"
„Wir haben überlebt." Silver drehte sich grinsend zu seinen Bruder herum und sagte:
„Das ist doch die Hauptsache, oder?" Blue schüttelte den Kopf, seufzte und sagte:
„Teleportier' uns lieber nach Hause. Die nächsten Touristen werden gleich hier sein, um eine Leiche finden - und dann will ich nicht hier sein."


Blue seufzte ein wenig erschöpft, als er daran zurückdachte und rieb sich fast automatisch die Kniekehle, obwohl von dieser Verletzung nichts außer einer Narbe und einer dazugehörigen Erinnerung zurückgeblieben war. Eine Erinnerung, die ihm jedes Mal aufs Neue ein Seufzten entriss, denn die Aufklärung über diesen recht planlosen Auftrag, welche sie bekamen, als sie wieder in deren Heimat waren, war vielleicht noch schlimmer als der Auftrag selbst.
Es war wahr, dass Ri-Il ihnen vertraut hatte und ihnen daher ein so freies Feld überlassen hatte… der Hintergrund dieses Vertrauens war aber vielleicht nicht unbedingt so positiv:
Es war eine Wette gewesen.
Eine Wette zwischen ihm und Lycram.
Eine Wette, die darauf hinaus ging, dass Silver und Blue niemals einen Auftrag ausführen konnten, ohne Unmengen von Informationen zu besitzen und schon gar nicht ohne Ri-Ils Zutun.
Blue hatte verletzt im Bett gelegen, als Ri-Il ihnen gesagt hatte, wie froh und stolz er doch auf sie war und dass er von Anfang an gewusst hatte, dass sie ihn nicht enttäuschen würden. Obwohl Blue von Schmerzen gepeinigt war, kam er genau wie Silver nicht drum herum, ihn mit offenem Mund anzustarren, was anhielt, bis Ri-Il das Zimmer verlassen hatte, mit einem recht breiten von Triumph geprägtem Grinsen, da er nun Lycram die erfreuliche Nachricht überbringen würde, dass er die Wette gewonnen hatte.
Blue vergrub das Gesicht in den Händen, womit er ein Gähnen unterdrückte und fragte sich, ob er sich vielleicht doch noch ein wenig Nachtruhe gönnen sollte, doch diese Entscheidung wurde ihm abgenommen, denn auch ohne, dass er die Hände vom Gesicht löste, wusste er, dass er nicht länger alleine war.
„Du bist eindeutig zu fleißig, Aniki", hörte er seinen kleinen Bruder sagen und sah ihn grinsend vor sich, als er die Hände vom Gesicht löste.
„Es ist schon fast fünf Uhr. Wir müssen Green-chan bald abholen." Blue antwortete, dass es ihm gar nicht aufgefallen war, dass es bereits so früh war und dass es ja so gar kein Wunder war, dass er müde war.
„Warum hast du dir denn heute so viel Zeit gelassen?", fragte Silver mit einem Wink auf den Brief; etwas worauf Blue nun absolut nicht eingehen wollte. Er wollte in wenigen Stunden Green abholen und sowohl das Schreiben der Berichte vergessen, wie auch, dass sie genau wie der Wächter in der Pyramide enden würde, dass sie genau wie er nur ein Teil eines Auftrages war.  
Daran schien auch Silver nicht denken zu wollen, denn er grinste erfreut bei der Vorstellung Green abzuholen und wie Blue wieder in eine andere Rolle, eine andere Identität, ein anderes Leben zu schlüpfen.
Blue richtete sich auf und die beiden wollten sich gerade teleportieren, um in eben dieses Leben zu schlüpfen, ein Leben welches vielleicht viel besser zu ihnen passte, welches aber dennoch immer eine Wunschvorstellung bleiben würde… als Silver noch einmal stehen blieb, da er scheinbar etwas bemerkt hatte.
„Was ist los?", fragte sein großer Bruder ihn und sah fragend dabei zu, wie der Rotschopf sich bückte, um den Teppich anzuheben, seinen Turnschuh auszuziehen und genau wie früher Sand aus eben diesem herauszuschütten und diesen unter den Teppich zu kehren. Entschuldigend sah er seinen argwöhnischen Bruder an und sagte:
„Hatte Sand im Schuh."


Fertiggestellt: 22.05.10
SPOILER SPOILER SPOILER SPOILER! This Fanfiction contains heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy heavy SPOILER for everyone who hasn't read further then chapter 75. So if you don't want to destory the fun in reading Himitsu no Mahou don't use a translater to translate this into english 'w'





Story informations:
Type: Official side story to chapter 82 (chapter 17th of HnM: Diabolus et Angelus)
Pages: 15 word pages
Genre: Comedy, Action and some sad moments
Characters: Blue, Silver, Green , Ri-Il, Mekare, Lycram and one poor Wächter
Pairing: No pairings. Slightly GxG hints.


This is my entry for :devTekuudev:'s Himitsu no Mahou contest and her birthday-present too, since I haven't has enough time to make both OTL mainly it's her present, but it's actually fullfill two of her contest criteria, so I asked her, if I coul join with this official side story.

Just by the way: this Sidestory will not be translated into english - sorry T^T and I beg you: don't use the translator, you will destory everything for you > (

But for the german readers....
Sogar für euch enthält diese Sidestory ein paar kleine Spoilerhints, da die story zum nächsten Kapitel gehört (welches hoffentlich in zwei wochen on kommen wird (spätestens)) und am besten zusammen gelesen werden kann - muss aber nicht unbedingt :3

All characters (c) Himitsu no Mahou / Me
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Comments3
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Tekuu's avatar

Ich bin wegen einer Note noch mal über diese Sidestory gestolpert und...habe sie gleich noch 2x gelesen /o/ ♥
ABER! Man kann sie gar nicht auf der Himi-Homepage lesen! Liegt das daran, dass du das Cover noch nicht fertig hast o.o°°?
Das war ja wohl der unauffälligste Hint ever è___________éb

Sie ist immer noch gut xD Hach ja. GENAU DAS, WAS ICH MAG XD Ich vermisse nichts.
Ach doch. Mein üblicher Spruch: ES WAR ZU KURZ.

Aber so gut xD Ach ja. Ach jaaa. xD /FANGIRLS